Kulturpolitik
Die Berufung des Medienunternehmers Wolfram Weimer zum Kulturstaatsminister trifft im Kulturbetrieb auf Skepsis. "Er hat ein Sendungsbewusstsein, um nicht zu sagen: Er ist ein Ideologe", sagte der Schauspieler Ulrich Matthes der Sendung "3sat-Kulturzeit". Das "disqualifiziert ihn für das Amt des Kulturstaatsministers". Weimer sei stramm konservativ und vertrete wirtschaftsliberale Theorien. Dies führe womöglich dazu, dass er für Einschnitte im Subventionssystem der Hochkultur eintreten werde, meinte Matthes. Der Geschäftsführer des deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, sagte dem Sender, Weimer sei in der Kulturszene weitgehend unbekannt. Es gebe große Sorgen. "Herr Weimer wird darum werben müssen, dass er klassische liberale Kulturpolitik machen wird." Diese werde sicher einen konservativen Einschlag haben, aber dürfe nicht in der Manier von US-Präsident Donald Trump zu einer Art kultureller Neuausrichtung führen, sagte Zimmermann. "Und dafür werden wir auch kämpfen." Manos Tsangaris, Präsident der Akademie der Künste Berlin, äußerte sich zurückhaltend. Er gehe davon aus, dass Weimer ein kultur- und kunstaffiner Mensch sei, "der sich sehr rasch bewusst sein wird, dass wir gerade in der nächsten Zeit, in den nächsten Jahren starke demokratieorientierte Institutionen benötigen".
Ijoma Mangold sieht in der "Zeit" die Berufung von Weimer als bewusste kulturpolitische Provokation. Obwohl der Publizist "als Kenner oder Verteidiger der Künste" nicht in Erscheinung getreten sei, verfüge er laut Mangold durchaus über relevante Erfahrung im Medienbereich. Auch Michael Naumann sei einst als Journalist Kulturminister geworden. Mangold betont, die eigentliche Pointe liege in der ideologischen Bedeutung der Position. Weimer stehe für "liberalkonservative Positionen" – ein Kontrast zum "linksliberalen Mainstream". Er sei, so Mangold, "das vernehmbare Widerwort" in einem "vibe shift" der Kulturpolitik. Für enttäuschte CDU-Wähler sei er ein "Trostpflaster", da er konservative Rhetorik liefere, wo sonst Ampel-Kontinuität herrsche. Mit Weimer werde "der outgesourcte Kulturkampf" wieder Teil der Regierung. Franziska Brantner (Grüne) kommentierte die Personalie als "kleinliche Deutschtümelei". Dennoch sei Weimer kein Scharfmacher, sondern eine "maßvoll bürgerliche" Stimme gegen linke Dominanz in kulturellen Debatten.
Das sieht Dirk Knipphals in der "taz" ganz anders und warnt vor Weimers Nähe zu neurechtem Denken: Im fünften Kapitel seines Buches "Das konservative Manifest" (2018) skizziere er Kultur als feststehende Größe – etwa das "jüdisch-christliche Abendland" im Gegensatz zum "islamischen Orient". Das sei "die Lehre von sogenannten Kulturkreisen", wie sie auch rechts außen vertreten werde. Die Berufung sei, so Knipphals, "kein Kulturkampf mit validen Argumenten, sondern einer gegen Popanze und mit Floskeln". Die CDU riskiere damit, in der Demokratiekrise autoritäre Kulturvorstellungen zu stärken.
In der "Welt" bezeichnen Matthias Heine und Christian Meier die Personalie als "Überraschung" und betonen: "Das größtmögliche Kontrastprogramm zu Claudia Roth." Bei dem 60-jährigen Ex-Chefredakteur ihrer Zeitung stünden "woke symbolpolitische Maßnahmen" wohl zur Disposition. Auch eine harte Linie gegenüber antisemitischen Tendenzen in Kunst und Kultur sei zu erwarten. Trotz prominenter Kritik – "FAZ"-Herausgeber Kaube nennt Weimer einen Kulturfremden (siehe Medienschau von gestern) – heben Heine und Meier Weimers akademischen Hintergrund (u.a. Suhrkamp-Autor, Dissertation über US-Wirtschaftsgeschichte) und intellektuelle Ambitionen hervor. Ob Weimer den Kulturbereich politisch durchdringen kann, bleibe offen – "ein klassischer Quereinsteiger" mit direktem Draht zum Kanzler. Für Monopol kommentiert Tobi Müller die Personalie.
Unter dem Titel "Die Tegernsee-Connection" beschreibt Hans-Jürgen Jakobs in der "SZ" den Aufstieg Weimers zum Kulturstaatsminister unter dem designierten Kanzler Friedrich Merz. Beide Männer verbinde eine langjährige persönliche Beziehung – vom gemeinsamen Geburtstag über Golf am Tegernsee bis zur ordoliberalen Gesinnung. Jakobs nennt es eine "Seelenverwandtschaft", die nun konkrete Folgen habe. Weimer verfüge über "größte Nähe zur Macht". Zweifel an seiner Eignung wischte Merz offenbar beiseite. Jakobs merkt süffisant an, Weimer habe Merz bei ntv wiederholt zur "Person der Woche" gekürt und ihn als "kantigen Sanierer" gefeiert, der Deutschland vor einem "zweiten Adenauer-Moment" stehe. Der politische Schulterschluss vom Tegernsee habe damit Berlin erreicht.
Museen
Zwei Artikel sind schon eine Kampagne: Cornelius Tittel führt in der "Welt" seinen Kreuzzug gegen Klaus Biesenbach fort (siehe Medienschau vom 25.11.2024) und kritisiert die angebliche Konzeptlosigkeit des Direktors der Neuen Nationalgalerie. Anlässlich zweier paralleler Yoko-Ono-Ausstellungen – im Gropius-Bau und der Nationalgalerie – zeige sich laut Tittel die "weitestgehend gelähmte" Berliner Museumslandschaft. Tittel sieht in der Berufung von Biesenbachs früherer Assistentin Jenny Schlenzka zur Gropius-Bau-Leiterin und der gegenseitigen Aufwertung durch die Ono-Schauen ein Netzwerk aus Protektionismus. Yoko Onos partizipative Werke wie "Wishtree" oder "Cleaning Piece" seien "triefender Partizipationskitsch", bei dem man sich frage, "ob das alles noch aus dem Kulturetat des Bundes finanziert ist oder schon von der Krankenkasse". Der "Blau"-Magazin-Chefredakteur urteilt, Biesenbach betreibe eher Selbstinszenierung als inhaltlich relevante Museumsarbeit. Trotz unterdurchschnittlicher Bilanz in den USA wachse Biesenbachs Macht in Berlin – doch Tittel warnt: Das "Yoko-Problem" gehe, das "Klaus-Problem" bleibe.
In Rotterdam wurde Mark Rothkos Gemälde "Grey, Orange on Maroon, No. 8" durch ein Kind leicht beschädigt, berichtet die BBC. Das Werk, auf bis zu 50 Millionen Euro geschätzt, zeigt flächige Farbblöcke ohne Schutzfirnis, was es besonders anfällig macht. Die Kratzer im unteren Bereich gelten als oberflächlich, doch die Restaurierung wird komplex – Rothkos Mischungen aus Pigmenten und Harzen sind schwer zu behandeln. "Selbst kleinste Schäden sind bei solchen Werken sofort sichtbar", sagt Restauratorin Sophie McAloone. Das Bild war im öffentlich zugänglichen Depot des Museum Boijmans Van Beuningen ausgestellt – ein Konzept, das auch britische Museen wie das V&A East prüfen. Nun wird über Haftungsfragen beraten; in der Vergangenheit stellte das Museum Besuchern Restaurationsrechnungen. Schon 2012 war ein anderes Rothko-Werk in der Tate Modern durch Vandalismus schwer beschädigt worden. Ein Restaurator kommentierte: "Rothko-Werke scheinen ein schreckliches Schicksal zu haben."
Kunstmarkt
Der deutsche Kurator Philipp Kaiser verlässt nach über sechs Jahren die Marian Goodman Gallery, wie "ARTnews" berichtet. Die Galerie teilte mit, Kaiser werde ab dem 2. Mai nur noch "als kuratorischer Berater" tätig sein. Als Grund nennt sie "die jüngsten Ereignisse in LA", womit wohl die Waldbrände gemeint sind. "Wir sind dankbar für Philipps Vision und seine vielen Beiträge", heißt es weiter. Kaiser, zuvor Direktor des Museum Ludwig in Köln und Kurator in Basel und Los Angeles, trat 2019 überraschend in die kommerzielle Galerie ein. Unter seiner Leitung zog die New Yorker Galerie von Midtown nach Tribeca und eröffnete 2023 eine Dependance in LA. Doch auch Rückschläge blieben nicht aus: Mit Gerhard Richter, Nan Goldin und William Kentridge verließen zuletzt drei bedeutende Künstler das Haus.
Anlässlich des anstehenden Gallery Weekends Berlin führt "Weltkunst"-Autorin Clara Zimmermann gemeinsam mit Auktionatorin Lena Winter durch den Berliner Stadtteil Charlottenburg – einen der Galeriestandorte der Stadt. Von der Galerie Société, die laut Winter ein "internationales Programm und gute Medienvielfalt" bietet, geht es zur Galerie Buchholz mit Arbeiten von Anne Imhof. Weitere Stationen sind Friese, Mehdi Chouakri, CFA mit Tobias Spichtig und Grunenberg, der Werke von Sonja Yakovleva zeigt. Lena Winter lobt die Haltung des jungen Galeristen Robert Grunenbergs: "Man merkt, wie sehr er seine Künstlerinnen und Künstler schätzt.“ Auch die Galerie Wentrup mit Jenny Brosinski, sowie Michael Haas mit Arnulf Rainer stehen auf dem Plan. Haverkampf Leistenschneider präsentiert Werke von Anna Grath und Lois Dodd. Der Rundgang endet im Klick-Kino und bei Restauratorin Cornelia Laufer.
In der "taz" würdigt Martin Conrads die erste Berliner Ausstellung des weltberühmten, in seiner Geburtsstadt jedoch kaum gezeigten Malers Frank Auerbach. Dessen Porträts – haptisch, expressiv, oft wie innere Landschaften – machten ihn ab den 1970er-Jahren zu einem zentralen Vertreter der "School of London". Geboren 1931 in Berlin, floh Auerbach als Kind vor den Nazis nach England; seine Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Trotz internationalem Ruhm zeigte Auerbach in Berlin nie aus – bis jetzt: Die Galerie Michael Werner präsentiert zum Gallery Weekend ab dieser Woche posthum Werke, darunter Porträts von Wegbegleiter und ein spätes Selbstbildnis. Kuratiert wird die Schau von Catherine Lampert, langjährige Vertraute, Biografin und Modell des Künstlers. Auerbach, der nicht gern reiste und Ausstellungen mied, ließ seine Bilder für sich sprechen, wollte keine biografischen Deutungen. "Kein öffentliches Begräbnis fand statt, nicht einmal ein privates, dies sei ihm nicht wichtig gewesen", schreibt Conrads. Sein Sohn Jake nennt den neuen Film über ihn "Frank Auerbach: life and death" – weil er malte, "als sei es um sein Leben gegangen".